Die Reformation in Unna
von Brigitte Paschedag, erschienen im Herbst-Blatt Nr. 89 *, Dezember 2017
2017: Die evangelische Welt feiert in diesem Jahr ein Ereignis, das schon vor 500 Jahren stattgefunden haben soll. Am 31. Oktober 1517 schlug Martin Luther der Überlieferung nach seine 95 Thesen, in denen er die Missstände in der römischen Kirche anprangerte, an die Tür der Schlosskirche zu Wittenberg. Dank der gerade erfundenen Buchdrucktechnik mit beweglichen Lettern verbreiteten sich Luthers Gedanken schnell im gesamten deutschsprachigen Raum und gelangten auch nach Unna.
Als am Ostersonntag des Jahres 1559 zum ersten Mal zwei Choräle von Martin Luther in der Pfarrkirche der Stadt Unna erklangen, kam das einer Revolution gleich. Der damalige Pfarrer Johann zum Broch war ein glühender Anhänger der katholischen Lehre. Aber da er ein schlechter Prediger war, hielt er sich einige Kapläne, darunter Eberhard Wortmann. Im Gegensatz zu seinem Vorgesetzten war dieser von den Ideen Luthers begeistert. Und es gelang ihm gegen den Widerstand zum Brochs, nach und nach den Gottesdienst entsprechend umzugestalten. Am Allerheiligenfest 1559 wurde zum ersten Mal das Abendmahl ,,in beiderlei Gestalt“, d. h. mit Brot und Wein gefeiert. Der Rat der Stadt nahm geschlossen daran teil und mit ihm viele Bürger.
Das konnte Johann zum Broch nicht dulden, und so kündigte er dem abtrünnigen Wortmann, hatte damit aber keinen Erfolg. Rat und Bürgerschaft weigerten sich, der Kündigung zuzustimmen. Wortmann wurde ein eigenes Haus am Kirchplatz zugewiesen.
Ab 1564 hatte der Rat sich das Recht erstritten, die Pfarrer selbst zu wählen. Der Abt von Deutz behielt sich jedoch die Zustimmung vor.
Nach dem Tod Wortmanns wählte der Rat Johann Schlüter als neuen Prediger, um ,,nach Vorschrift godtlicher hilger Geschrfft und der rechten Außburger Confession“ das Amt zu verwalten. Obwohl er dem Abt von Deutz einen Eid ablegen musste, dass er alle in der katholischen Kirche üblichen Bräuche in Unna durch führen würde, gelang es ihm zusammen mit Anton West rum 1582 diese nach und nach abzuschaffen. Die Messgewänder wurden abgelegt, und auch die Ohrenbeichte gab es nicht mehr. Trotz eines Beschwerdebriefes des Abtes von Deutz an den Rat der Stadt Unna breitete sich die neue Religion immer weiter aus. Um 1620 soll es keine katholische Familie mehr in Unna gegeben haben. War die Einführung der Reformation zunächst relativ friedlich verlaufen, drohte den Lutheranern in Unna jetzt aber von anderer Seite Gefahr. Die Schreckensherrschaft des Herzog Alba in den Niederlanden hatte viele Anhänger der Calvin‘schen Lehre vertrieben. (Johannes Calvin hatte um 1536 in Genf ebenfalls eine Reformation eingeleitet. Sie unterschied sich von der Lehre Luthers durch eine strenge Kirchenzucht (Calvin war einer der schlimmsten Hexenverfolger), die Lehre von der Prädestination (Vorbestimmung) und eine von Luthers Vorstellungen abweichende Abendmahlslehre). Mit dem Auftreten der Calvinisten in der Grafschaft Mark wurde das Luthertum mehr und mehr unterwandert. Auch der Rat der Stadt Unna versuchte calvinistische Pfarrer einzusetzen. Aber der Abt von Deutz versagte seine Zustimmung dazu. Die Bevölkerung der Stadt war zweigeteilt. Die Spannungen zwischen den beiden Parteien eskalierten, so dass es selbst beim Jahrmarkt zu tumultartigen Auseinandersetzungen kam, bei denen wohl auch Blut floss. Inzwischen war Joachim Kersting, ein Lutheraner, vom Abt von Deutz in Unna eingesetzt worden. Als er 1596 sein Amt antrat, stürmte der Rat der Stadt die Kirche und versuchte, Kersting von der Kanzel zu ziehen. Mit Hilfe seiner Anhänger und der beiden Altbürgermeister Johann Crane und Degenhard von Arnsberg konnte er sich jedoch behaupten. Nach der Ratswahl im gleichen Jahre, in der Johann Westphalen als neuer Bürgermeister gewählt wurde, richtete sich der Zorn der Reformierten gegen diesen. Westphalen versuchte daher, Philipp Nicolai, einen strengen Verfechter der Lehre Luthers, nach Unna zu berufen. Dieser lehnte zweimal ab, bis er schließlich zusagte, nachdem der Bürgermeister selbst nach Wildungen gereist war, um ihn für sich zu gewinnen.
Die Calvinisten merkten schnell, dass sie mit Nicolai einen starken Gegner hatten. Deshalb erhoben sie Einspruch bei der Kleveschen Regierung. In einem Religionsgespräch mit zwei katholischen Theologen konnte Nicolai jedoch überzeugen. Von da an war er in Unna etabliert.
Der Streit kam zum Erliegen, als 1597 die Pest in Unna ausbrach und ca. 1400 Menschenleben in der kleinen Stadt forderte. Auch zwei Schwestern Nicolais starben an der Seuche. In dieser Zeit schrieb Nicolai den „Freudenspiegel des ewigen Lebens“, der die Choräle ,,Wie schön leuchtet der Morgenstern“ und ,,Wachet auf, ruft uns die Stimme“ enthält. Vor der spanischen Besatzung musste Nicolai 1598 fliehen, kehrte aber kurz darauf nochmal für einige Jahre zurück. Als er 1601 einem Ruf nach Hamburg folgte, war die Reformation im Sinne Luthers in Unna endgültig anerkannt.
Inzwischen ist die evangelische Gemeinde in Unna eine „unierte“ Gemeinde, d. h. Lutheraner und Reformierte haben sich zusammengeschlossen. Zeichen dafür ist eine kleine Plakette auf dem Abendmahlskelch, der schon zu Zeiten Nicolais in Unna in Gebrauch war.
Die evangelische Kirchengemeinde Unna und der Kirchenkreis feierten und feiern das Reformationsjubiläum mit zahlreichen Veranstaltungen. Höhepunkt war wohl das am 11. November (Luthers Tauftag) aufgeführte Oratorium „Luther in Worms“ von Ludwig Meinardus.
* Seniorenzeitschrift der Stadt Unna