Die Orgel

Der Weg zur neuen Orgel

Eingeweiht am 3. Advent 1973

von Martin Weimann – Kantor an der Ev. Stadtkirche zu Unna von 1970 bis 1997
Aus: 40 Jahre Rensch Orgel, 2013, Herausgeberin: Philipp-Nicolai-Kantorei Unna

In der Ev. Stadtkirche war die Hauptorgel, die technisch und klanglich nicht mehr die Voraussetzungen für anspruchsvolle Interpretationen von Orgelmusik aller Epochen bot, von Mitgliedern der Philipp-Nicolai-Kantorei 1968 ausgebaut und die alten Pfeifen zugunsten eines Orgelneubaus verkauft worden.

Die vorbereitenden Planungen für den Neubau wurden mir übertragen. Nach ausführlichen Beratungen entschied man sich für die Orgelbauwerkstatt Rensch in Lauffen am Neckar. Der Auftrag wurde im März 1973 erteilt und der Orgelneubau für die zweite Hälfte des Jahres 1973 zugesagt.

Die Praxis in Unna machte zwischen Hauptorgel und Rückpositiv einen Platz für den sonntäglichen Chordienst notwendig. So rückte die Hauptorgel bis an das hintere Ende des breiten Gurtbogens der Turmsäulen. Die Empore musste begehbar sein und viele Dinge des „alltäglichen“ Gebrauchs bedacht werden. Deshalb ruht die Orgel auf einem „Orgelstuhl“, der nur an vier Eckpunkten auf der Empore steht. Ungefähr 18 Tonnen lasten auf diesen vier relativ kleinen Stellen auf der Empore. Dieses Gewicht musste auf die gesamte Empore abgeleitet werden.

Meine vorgegebene Disposition wurde in Zusammenarbeit mit Orgelbaumeister Richard Rensch noch einmal gründlich unter die Lupe genommen. Man sollte ja auf dem Instrument Werke aller Stilepochen interpretieren können.

Aus seiner großen Erfahrung und Klangfantasie schlug Herr Rensch verschiedene Veränderungen vor, die zur heutigen Disposition der Orgel führten. So kann man zum Beispiel drei Kornette für die Interpretation französischer Orgelmusik registrieren, obwohl im Hauptwerk nur ein Kornett gebaut ist.

Im August 1973 rollten dann die ersten Lastkraftwagen mit Material für die neue Orgel auf dem Kirchplatz an. Im Oktober 1973 begann Herr Orgelbaumeister Richard Rensch mit der Intonation der einzelnen Register. Immer wenn ein Register fertig geworden war, wurde es im Gottesdienst der Gemeinde vorgestellt.

Bei der Arbeit am fünften Register geschah der tragische Unfall: Herr Rensch stürzte von dem oberen Stimmgang 5,60 m tief auf die Orgelempore. Von da an war er querschnittsgelähmt.

Wie immer in Zeiten schwerer Belastung musste das Leben weitergehen. Die gut aufeinander eingespielten Mitarbeiter der Firma Rensch haben den Orgelbau fortgeführt und vollendet.

Foto: Hubert Brandt

So konnte die Orgel am 3. Advent 1973 eingeweiht werden.

Bei der Orgelabnahme durch Herrn Prof. Arno Schönstedt wurde die klangliche und handwerkliche Arbeit sowie die äußerlich schöne Gestaltung besonders hervorgehoben.

In einem Aufsatz über die „Orgelgeschichte in der evangelischen Stadtkirche in Unna“ im Jahrbuch für „Westfälische Kirchengeschichte 2002“ schreibt Herr Prof. Dr. Martin Blindow, Münster: Heute steht in der evangelischen Stadtkirche ein drei Manuals Instrument, dass man zu den besten Orgeln in Westfalen rechnen muss.

Anmerkungen:

  • Die Aufnahme der alten Orgel wurde von Brigitte Hollmann zur Verfügung gestellt. Es handelt sich um eine alte Ansichtskarte ohne Jahrgangsangabe mit dem Vermerk „Echte Photographie“. Sie ist im Anichtskartenverlag Zimmaß, Erfurt, erschienen. Der Verlag war dort bis in die 1930er Jahre ansäßig.
  • Der tragische Unfall Richard Renschs ereignete sich am Montag, dem 29. Oktober 1973.
  • Der 3. Advent 1973 fiel auf den 16. Dezember.
  • Auch heute noch kümmert sich die Orgelbauwerkstatt Rensch um die Orgel.
  • Die Stimmung: Kirnberger II
  • Die Disposition