Die Renovierung der Ev. Stadtkirche zu Unna: Ein Schnellschuss kann auch zu einem Volltreffer führen
Fragt man nach einer Stadtführung eine Besuchergruppe, die Unna bis dahin nicht kannte, nach dem vielleicht bedeutendsten und auch eindrucksvollsten Gebäude der Stadt, wird man sich nach kurzer Diskussion bestimmt auf folgende Antwort einigen: Es ist die Ev. Stadtkirche. Diese Einschätzung würden viele Unnaer Bürgerinnen und Bürger sicherlich vorbehaltlos teilen.
Mit ihrem mächtigen Westturm, erbaut zwischen 1407 und 1467, prägt die gotische dreischiffige westfälische Hallenkirche die Silhouette der Stadt. Ihre Geschichte beginnt im Jahre 1322 mit dem Bau des dreijochigen Langhauses. In ihrer Ursubstanz ist sie also fast 700 Jahre alt. Das jüngste Bauteil ist der neugotische Turmhelm, der 1862/63 aufgesetzt wurde, nachdem der Vorgänger durch einen Blitzschlag zerstört worden war. Die Kirche gilt in ihrer Raumdisposition für Westfalen als ungewöhnlich, da die Seitenschiffe um den Chor als Umgang herumgeführt werden.
Die Stadtkirche ist in die Jahre gekommen, das war und ist an manchen Stellen nicht zu übersehen. In der Bausubstanz grundsätzlich gesund, zeigten sich insbesondere im Innenraum Alterungs- und Gebrauchsspuren. Die letzte Sanierung erfolgte im Jahre 1996, also vor 20 Jahren.
Hans-Peter Wigger, Vorsitzender des Fördervereins Stadtkirche Unna: „Ich arbeite seit einiger Zeit in der von Pfarrerin Barbara Dietrich koordinierten offenen Stadtkirche der Evangelischen Kirchengemeinde Unna mit und verbringe manche Stunde in der Stadtkirche. Dabei fiel mir auf, dass den sechs Rundsäulen im Mittelschiff des historischen Kirchengebäudes eine Auffrischung guttun würde.“ Darüber wurde sich Wigger mit Pfarrerin Barbara Dietrich und Marion Genée, die seit den letzten Wahlen zum Presbyterium die Funktion der Gebäudekirchmeisterin innehat, schnell einig. Als man sich dann mit professioneller Unterstützung die Kirche gemeinsam genauer anschaute, wurde schnell klar, dass es damit allein nicht getan war.
„Abgängige Putze der Wände im Kirchenschiff, in der Sakristei und am Sockelpodest des Chores“, das waren für Dr. Christoph Hellbrügge aus Ascheberg, Restaurator und studierter Kunsthistoriker, Schäden, deren Beseitigung man unbedingt angehen solle. Auf die Möglichkeiten seines Fachbetriebes, die notwendigen Arbeiten auszuführen, angesprochen, brachte es Dr. Hellbrügge schnell auf den Punkt: „Wir haben in diesen Sommerferien noch Zeit für Unna oder dann erst wieder ab Mitte nächsten Jahres.“ Von da an ging alles ganz zügig. Der Umfang der Arbeiten war schnell festgelegt. Die finanziellen Konditionen, die Dr. Hellbrügge anbot, passten. Die Zustimmung der Kirchengemeinde war schnell erteilt. Die untere Denkmalbehörde gab grünes Licht. Hans-Peter Wigger hatte – was wichtig war – Zeit, die Maßnahmen zu begleiten. So erhielt Dr. Hellbrügge den Auftrag. Am 8. August ging es los. Bis zum Ende der Sommerferien waren die Arbeiten abgeschlossen.
Bis zu fünf Fachkräfte der Firma Hellbrügge waren zeitweise in der Kirche im Einsatz. Sie erledigten eine aufwendige Kleinarbeit. „Eine Patentlösung gibt für ein so altes Gebäude nicht“, erläuterte die Diplom-Restauratorin Jana Nowak. Das Team probierte verschiedene Techniken und Materialien aus. So versuchte man, mit einem Mikro-Sandstrahler schwarze Verfärbungen an den Säulen – offensichtlich mit Schmutz verbackene Gipskrusten – zu entfernen. Doch das Schwarze hielt dem Sandstrahl stand. Nach der Ausbesserung von Fehlstellen trug man dann eine von Hand angemischte wischfeste Farbe auf, um die unteren Steinreihen der Sandsteinsäulen so zu bearbeiten, dass sie schließlich so aussehen wie der hellere Rest.
Zum „abgängigen Putz“ erläuterte Dr. Hellbrügge: „Feuchtigkeit steigt im Stein nach oben. Das Wasser enthält Salze, die auskristallisieren. Dadurch entsteht Druck, der irgendwann die äußere Schicht sprengt. In einem kleinen Privathaus hätte man dieses Problem durch den Einbau einer Isolierung behoben. Bei den dicken, uralten Mauern der Stadtkirche geht das nicht. Solche Arbeiten stehen irgendwann wieder an. Die Erhaltung der Gemäuer bleibt eine Daueraufgabe.“
Wichtig war den Restauratoren, das empfindliche Inventar der Kirche während der Arbeiten zu schützen und vor Staub zu sichern. So wurden unter anderem die Kanzel, die kleine Orgel im Altarraum, das Rückpositiv der großen Rensch-Orgel, das Cembalo und das Klavier „eingepackt“.
Am Ende bezahlte der Förderverein eine Rechnung in Höhe von fast 19.000 Euro. „Wer die Musik bestellt, soll sie auch bezahlen“, sagte dazu Hans-Peter Wigger. „Es ist gut angelegtes Geld.“ Der Förderverein trägt sich bereits mit weiteren Ideen. Peter Wigger erläutert: „Manches ist kompliziert und teuer und bedarf auch intensiver Diskussionen. Die hat jedoch der Hausherr und Bauherr, die Evangelische Kirchengemeinde, zu führen. Es gibt dazu schon gute Gespräche mit dem Presbyterium. Anderes kann aber schnell und unkompliziert abgearbeitet werden. Mir fällt da beispielsweise das Portal der Stadtkirche und die kleine Zugangstür zum Turm ein, deren optischer Zustand alles andere als gut ist.“
Erledigt ist bereits die Sanierung der Treppe zum Turmaufgang durch eine Unnaer Bauunternehmung. Die Kosten lagen bei rund 1.450 Euro. Auch dafür stand der Förderverein ein.
„Der Förderverein möchte sich weiter engagieren, hat aber keine unbegrenzten finanziellen Ressourcen. Deswegen werden wir künftig mit der Kirchengemeinde über eine angemessene Kostenbeteiligung reden müssen. Jetzt ging es für uns zunächst darum, unsere Leistungsfähigkeit unter Beweis zu stellen und zu gewährleisten, dass aus einem Schnellschuss ein Volltreffer wurde. Das dürfte gelungen sein,“ so Hans-Peter Wigger.
Über alle Arbeiten, die im Detail über das hier Geschilderte hinausgehen, gibt es einen umfassenden Restaurierungsbericht und eine CD mit vielen Vorher-/Nachher-Fotos. Beides steht der Kirchengemeinde und dem Förderverein zur Verfügung. „Dokumentation ist offensichtlich für einen Kunsthistoriker wichtig,“ vermutet Hans-Peter Wigger zu Recht.
Jürgen Korvin, Schatzmeister des Fördervereins und Verfasser dieses Berichtes: „Als ich nach Abschluss der Arbeiten die Kirche betrat, war ich beeindruckt. Die Restauratoren haben gute Arbeit geleistet.“ Kirchenmusikdirektorin Hannelore Höft bestätigt dies: „Von der Orgelempore aus zeigt sich mir ein stimmiges Bild.“
Unna, im September 2016
Jürgen Korvin
Bericht des Hellweger Anzeigers vom 11.08.2016
Zum vollständigen Restaurierungsbericht
Fotos: Dr. Christoph Hellbrügge